Geschenkte Zeit – eine Radtour zum Geburtstag

Hallo zusammen,

hach, das war eine richtig schöne Tour vergangenen Freitag. Meine Mama wohnt noch in Duisburg, macht jede Woche Mittwochs und Freitags eine Radtour mit Freundinnen und Freunden und hatte letzten Freitag Geburtstag ;). Materielle Dinge schenken kann ja jeder, also habe ich mir gedacht, was ist wirklich wertvoll und nachhaltig? Zeit, unsere Leben sind mittlerweile so hektisch, so fordernd geworden, dass man kaum noch Zeit füreinander hat. Also haben wir zusammen an der Freitagsradtour meiner Mum teilgenommen. Was soll ich sagen, es war wirklich richtig schön, die anderen Mitglieder der Radlertruppe sind super nett und Petra, die heutige Tourleiterin hatte eine interessante Route rausgesucht. Beauftragt oder gar bezahlt hat mich für diesen Beitrag keiner, schreiben tue ich ihn trotzdem gern.

Um es mir ein wenig einfacher zu machen bin ich nicht erst von Krefeld nach Duisburg geradelt, sondern habe dafür die Bahn benutzt. Ein Ticket für mich und eines für das Fahrrad und dann stand ich pünktlich auf dem Bahnsteig, ich hatte Glück, meine Fahrt wurde von Abellio durchgeführt und, obwohl ich kein Fan vom Schienengebundenen ÖPNV bin, dafür sind meine Erfahrungen aus meiner Zeit in Erkrath zu negativ, muss ich sagen, so wie Abellio es macht, hat es mir gefallen. Der Zug, ein FLIRT, das steht für „flinker leichter innovativer Regional-Triebzug, von Stadtler ist von innen hell, die Klimaanlage funktionierte und die gleich zwei Schaffner an Bord vermittelten das Gefühl, hier wird sich gekümmert. Da war ich schon fast traurig nach wenigen  Minuten in Duisburg am Hauptbahnhof angekommen zu sein ;).

Von dort aus waren es dann noch knappe 10 Kilometer bis zu meinem Elternhaus, dabei wurde bereits klar, warum das Ruhrgebiet so eine wundervolle Radfahrdestination ist, es ging über die Ruhr und dann am Rhein-Herne Kanal entlang in Richtung Neumühl. Die Wege am Rhein-Herne Kanal sind wirklich klasse, das habe ich jetzt schon öfter gemacht und es immer ein bisschen wie Urlaub.

Nach der Ankunft wurde gratuliert, noch schnell etwas getrunken und dann ging es auch schon los zum Treffpunkt mit den Anderen. Gestartet wurde am Iltispark in Duisburg-Neumühl. Der, wirklich schöne Park an der Iltisstrasse, der eigentlich Erholungspark Neumühl heißt, den aber jeder unter dem Begriff Iltispark kennt wurde Anfang der 80er des letzten Jahrhunderts, verdammt fühlt man sich alt, wenn man das so schreibt ;), unter anderem mit Bergmaterial aus den hiesigen Zechen, angelegt und ist wirklich eine Oase in der hektischen Stadt.

Ich hab da als Kind ne Menge Zeit verbracht. Nun, von dort aus ging es los in Richtung Rhein, schön durch das Duisburger Grün, wie gesagt, wir hatten eine gute Tourenleitung. Vorbei am Alsumer Berg, einer Halde aus Kriegstrümmern und anderem Schutt ging es dann in Richtung Beeckerwerther Rheinbrücke. Für mich ist sie immer noch „neu“, dabei wurde sie bereits 1990 fertiggestellt, ich erinnere mich noch daran, dass man sie an diesem Tag mit Rad befahren durfte.

Das geht heute auch noch, allerdings nur auf dem Radweg am Rand, damals durften wir über die Autobahn fahren ;). Das sollte man heute tunlichst lassen. Nach wenigen Minuten  waren wir auf jeden Fall auf der anderen, aktuell meiner richtigen, Rheinseite ;).

Weiter ging es nach Moers, dort haben wir einen Halt an einer ziemlich spannenden Industriebrache gemacht, die ich bis dato auch noch nicht kannte. Wie in meinem letzten Blogbeitrag HIER schon geschrieben, man entdeckt doch immer wieder was Neues. Hinter einem Ausbildungszentrum und einer Firma für Turbotechnolgien findet man dort ausrangierte RBH Lokomotiven, eine Grubenbahn und jede Menge „Zeugs“ 😉 Man merkt, hier haben Menschen gearbeitet, irgendwie hat das Areal einen ganz eigenes Flair…

Beim durchfahren dieses Gebietes habe ich durch eine offene Tür einen Blick auf einen halb verhüllten 911 erhaschen können, für ein Foto waren wir zu schnell, aber den Namen des Raums habe ich mir gemerkt, Sammlerstücke. Eine Recherche ergab eine tolle Location mit Oldtimer-Autos. Hätte ich da jetzt so auch nicht erwartet, da muss ich in Zukunft mal gucken, ob man da mal nen Besichtigungstermin kriegen kann, das klingt nämlich ziemlich spannend.

Weiter ging die Fahrt, wilde Abschnitte, durch Wälder und über Feldwege, holprig bis spiegelglatt, aber immer abwechslungsreich führte die Route durch Ecken, die ich seit vielen Jahren kenne, so aber noch nicht gesehen habe.

Vorbei an „großer Kunst“…

…und kleinen Kunstwerken am Wegesrand führte die Tour nach Kamp – Lintfort.

Auf dem Weg dorthin kamen wir auch an der Halde Pattberg vorbei, seit 1962 wurde diese Halde aufgeschüttet und ist jetzt knappe 75 Meter hoch. Ein weiterer grüner Fleck in der Region. Es gibt Pläne, aus ihr einen „Drachenberg“ zu machen, man darf gespannt sein. Was sie schon ist, sie ist Ausgangsort für Amateurfunker, die von dort oben Funkwettbewerbe durchführen.

Über eine Brücke haben wir A42 überquert und sind dann direkt am ehemaligen Wasserturm und an der Kohlemischhalle der Zeche Pattberg vorbeigefahren.

In der riesigen Kohlemischhalle wurde früher Kohle so gemischt, dass es für den Endabnehmer immer gleichbleibende Qualität gab. Heute sind auf dem Dach der Halle knapp 11.500 Solarmodule installiert, so generiert die Zeche immer noch Strom, wenn auch nicht mehr aus Kohle. Schon faszinierend.

Kamp-Lintfort ist für mich eine Stadt, die den Wandel offenbar ziemlich gut hinbekommt. Es tut sich unheimlich viel dort gerade, 2020 wird Kamp-Lintfort die Landesgartenschau ausrichten, unter anderem auch auf dem alten Zechengelände. Ich habe Freitag ein Foto gemacht und in meinem Archiv eines aus 2008 von der gleichen Stelle, soviel zum Thema Wandel.

In Kamp-Lintfort wurde dann auch eine etwas längere Mittagspause eingelegt, es gab was leckeres zu Essen, kalte Getränke und gute Gespräche, alles im Schatten des KRZN, dem Rechenzentrum, welches auch die Mediothek mit IT Infrastruktur versorgt, meistens zumindest 😉

Von Kamp-Lintfort aus ging es weiter nach Neukirchen-Vluyn, vorbei am, ziemlich öffentlichkeitswirksamen, Kunstwerk vor einem Fotostudio fuhren wir zu einem weiteren kleinen Stopp an einer Sehenswürdigkeit.

Ein Stückchen die Straße rauf steht die „Alte Mühle Donk“, eine 1874 errichtete Turmwindmühle, die sogar bis 1962 in Betrieb wahr. Bis vor wenigen Jahren gab es rund um diese Mühle auch immer ein tolles Märchenfest, leider wurden die Genehmigungskosten immer mehr, die Unterstützung durch die Stadt immer weniger und so verschwand dieses tolle Event leider, die Mühle indes ist noch da und sieht nach wie vor klasse aus.

Von alter Mühlentechnik ging es weiter, wieder über schöne Feldwege und ruhige Straßen bis zur Zeche Niederberg in Neukirchen-Vluyn. Bis 2001 war sie Teil der Steinkohleförderung und zusammen mit Kamp-Lintfort und Tönisberg die westliche Grenze des Bergbaus im Ruhrgebiet.

Heute ist nicht mehr viel vom einstigen Werksgelände übrig. Zwei Türme, einige Bauten, das war es. Sie sollen aus Denkmalschutzgründen erhalten bleiben. Schon ein komisches Gefühl, ähnlich wie vorher in Kamp-Lintfort, ich kenne die Zeche dort noch im Betrieb, jetzt hat sich die Natur schon große Teile zurückerobert.

Direkt gegenüber, in der Siedlung Niederberg, steht die Skulptur „Der Bergmann“ und schaut auf die ehemalige Zeche. Mit knapp 4,20 Metern Höhe ein imposantes Denkmal.

Die beiden Künstler Anatol Herzfeld, ein Schüler von Beuys und Frank Merks, ein Krefelder Bildhauer haben dieses Werk geschaffen. Wie immer bei Kunst liegt sie im Auge des Betrachters, die Meinungen darüber gehen auch in der angrenzenden Siedlung auseinander, ich finde es auf jeden Fall gut, den Bergleuten am ehemaligen Ort ihrer Arbeit ein Denkmal zu setzen.

Über Kapellen ging es dann wieder zurück in Richtung Moers. Nach wie vor, ein dickes Lob an die Tourleitung, die Wege waren durchweg abwechslungsreich und gut zu fahren. Auch die Anzahl an Pausen, das Tempo und die Laune unterwegs waren sowohl Mamas Ehrentag, als auch dem Wetter würdig ;). Rundum, es hat Spaß gemacht.

Unterwegs, in einem Vorgarten gab es nochmals Kunst zu sehen, wie auch beim Bergmann, sie liegt im Auge des Betrachters, das ist hier wohl wörtlich zu nehmen 😉

Auf dieser Tour auf den Spuren des Bergbaus und der Montanindustrie kamen wir dann auch an „Schacht Gerdt“ vorbei. Dieser Wetterschacht war ebenfalls Teil des riesigen Zechen und Bergbaugebietes, durch das wir im Grunde schon den ganzen Tag geradelt sind. Die Firma MineGas saugt dort, nach wie vor, das Grubengas ab und verstromt es, immerhin ist dort eine Menge Methan vorhanden. Erst vor kurzer Zeit wurde ein Vorhaben genehmigt, aus dem ehemaligen Schacht soll ein Kultur-, Geschäfts- und Veranstaltungszentrum werden. Ich bin gespannt.

Von Schacht 8, oder Gerdt, war es dann nur noch ein Katzensprung wieder zu meiner Mutter nach Hause. Natürlich ging es wieder über den Rhein, wieder über die Beeckerwerther Brücke und dann rechts rum in Richtung Landschaftspark Duisburg Nord, oder LaPaDu, wie man hier so sagt. Das ehemalige Hüttenwerk in Duisburg Meiderich ist mittlerweile weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt als Kultur-, Natur- und Eventlocation und für mich ist es immer irgendwie ein „nach Hause“ kommen, schließlich habe ich da schon als Kind gespielt. Heute gibt es super ausgebaute Radwege und viele tolle Ecken, die man entdecken kann.

Tja, und das war es dann schon mit der Radtour, zumindest für meine Mama, ich musste ja später noch zum Bahnhof. Aber, erst mal hatten die Mieter, die bei meiner Mutter im Haus wohnen, für uns den Grill angeworfen. Ihr Geburtstagsgeschenk, an dem ich einfach frech partizipiert habe ;).

Was soll ich sagen, die Tour, die Leute, das Wetter, das Essen, es war wirklich ein richtig toller Tag. Da konnte es meine Laune dann auch nicht mehr trüben, dass ich auf der Brücke über die Ruhr zwar einen tollen Zug fotografieren konnte, derjenige, der mich aber nach Hause bringen sollte 35 Minuten Verspätung hatte und, natürlich, von der Bahn und nicht von Abellio war 😉

Wie so oft lässt sich festhalten, man sieht so unfassbar viele Details und spannende Dinge, wenn man mit dem Rad unterwegs ist, und es tut zudem auch noch wirklich gut. Am Ende waren es knappe 90 Kilometer für mich, von denen ich tatsächlich jeden genossen habe. Ich hoffe euch haben die Einblicke ein wenig gefallen, vielleicht gab es die ein oder andere Anregung, ich habe jetzt noch einen Relive Clip für Euch und wünsche Euch ansonsten immer eine unfallfreie Fahrt.

Euer Martin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4 comments

  1. Wieviel Km waren es ohne Deine Fahrt vom Bahnhof zu Deiner Mutter und zurück, ungefär? Es klingt ungeheuer interessant…

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